Wie bereits berichtet (s.hier), wurde die einstweilige Verfügung gegen C. Rombach wegen des Betreibens eines illegalen Schneeballsystems durch das Landgericht Hamburg per Urteil vom 13.08.2009, AZ 327 O 296/09 bestätigt. Im Folgenden veröffentlichen wir die vom Gericht formulierten Entscheidungsgründe:
„Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 11.6.2009 ist, soweit noch über sie zu entscheiden war, zu bestätigen. Auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Parteien im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ist davon auszugehen, dass es sich bei dem vom Antragsgegner gem. der Anlage AS 2 und mit den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen weiteren Merkmale beworbenen Vertriebssystem um eine wettbewerbswidrige progressive Kundenwerbung handelt. Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin, als Mitbewerberin, basiert auf § 16 Abs. 2 UWG i. V. m. §§ 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG.
Im Einzelnen:
Die Kammer hat bereits in ihrem Hinweis vom 23.7.2009 ausgeführt:
„Nach vorläufiger rechtlicher Einschätzung der Kammer dürfte das Verbot zu Ziff. I.1 des Beschlusstenors wohl zu bestätigen sein. Auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens des Antrags¬gegners im Widerspruchsverfahren dürfen es sich bei dem in Rede stehenden Vertriebssystem des Antragsgegners um ein unzulässiges System einer progressiven Kundenwerbung i.S.v. § 16 Abs. 2 UWG handeln und nicht um ein zulässiges Multi-Level-Marketing-System.
Letzteres zeichnet sich regelmäßig dadurch aus, dass der Systembeitritt nicht an irgendwelche Einstandspreise oder Warenabnahmen gebunden ist. Auch wird im Rahmen eines solchen Systems regelmäßig ein Rückgaberecht für nicht abgenommene Waren gewährt – allenfalls ist der Erwerb einer Beratergrundausstattung zum Selbstkostenpreis er¬forderlich (vgl. Bramsen/Leible, BB 1997, Beilage 10 zu Heft 32, S. 1 ff).
Gänzlich anders verhält es sich hingegen hinsichtlich der vorliegend streitgegenständlichen Systems:
Aus dem aus der Anlage AS 2 ersichtlichen Vergütungsplan ist ersichtlich, dass im Rahmen des dort beschriebenen Systems nicht der Absatz der entsprechenden Waren an Außenstehende im Vordergrund steht, sondern der Aufbau einer Käuferpyramide. Einem Verkauf der entsprechenden Produkte an Strukturfremde steht im Ãœbrigen auch schon deren (unterstelltermaßen aktuelle) fehlende Verkehrsfähigkeit entgegen.
Der progressive Charakter des in Rede stehenden Vertriebssystems zeigt sich ferner augenscheinlich daran, dass Voraussetzung einer Provisionsberechtigung (mithin im Rahmen einer aktiven Beteiligung am Vertrieb) ein monatlicher Warenabsatz in einer Mindesthöhe von € 80,– (bzw. wie von dem Antragsgegner vorgetragen – aber nicht glaubhaft gemacht – i. H. v. $ 100,–) ist. Ohne diesen ist eine Provisionsberechtigung ausgeschlossen. Der Systembeitritt wird daher von einem „Eintrittsgeld“ abhängig gemacht und nachfolgend mit einer Mindestabnahme von Unternehmensprodukten verbunden. Die Provisionsstaffelung in Abhängigkeit von der Höhe der Mindestabnahme zeigt ferner, dass die streitgegenständliche Systemgestaltung dazu anreizt, weit über den möglichen Eigenbedarf hinausgehende Waren¬mengen abzunehmen, weil hierfür höhere (bzw. vorliegend weiterstufige) Provisionen gezahlt werden (vgl. Leible, WRP 1998, S. 18 f).
Ziel des streitgegenständlichen Vertriebssystems ist mithin die Erzielung von Umsatz innerhalb des Systems durch die Anwerbung neuer Teilnehmer, indem der Kunde veranlasst wird, mehr Waren abzunehmen, als er tatsächlich benötigt (vgl. Harte/Henning/Dreyer, UWG, 2. Aufl., § 16 UWG, Rdnr. 50). Der tatsächliche Warenabsatz steht -anders als in einem rechtlichen zulässigen Multi-Level-Marketing¬System – wenn überhaupt (mangels Verkehrsfähigkeit der Produkte) – allenfalls an zweiter Stelle. Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des LG Hamburg – einen gleich-gelagerten Sachverhalt betreffend – welche sie vollumfänglich teilt und sich zu eigen macht (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 5.3.2007 -Az.: 408 0 340/06).
Der Umstand, dass – wie vom Antragsgegner vorgetragen – auch anderweitige Unternehmen sich eines entsprechenden Kundenwerbungssystems bedienen ist für vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz, worauf die Antragstellerin zutreffend hingewiesen hat.“
An diesen Ausführungen hält die Kammer auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens des Antragsgegners im Widerspruchs¬verfahren fest. Das von dem Antragsgegner beworbene Vertriebskonzept erweist sich dabei auch unabhängig von der Frage einer Verkehrs¬fähigkeit der hierunter vertriebenen Produkte als unlauter, so dass die im Termin vom Antragsgegner abgegebene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung hinter dem begründeten Unterlassungsbegehren der Antragstellerin zurückbleibt und mithin zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr nicht hinreichend ist.
Soweit der Antragsgegner darauf verwiesen hat, die Frage der recht¬lichen Zulässigkeit des von ihm beworbenen Vertriebssystems könne nur an Hand einer Gesamtwürdigung aller relevanten Fakten beantwortet werden, welche die konkrete Vertriebsform prägten und hierbei seien insbesondere auch die Richtlinien der Firma SISEL (vgl. Anlage 8) mit heranzuziehen, vermag auch dies eine abweichende Bewertung nicht zu rechtfertigen.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich das konkrete Verbot aus¬schließlich auf ein Vertriebssystem beschränkt, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass Bestandteil des Systems der aus der Anlage AS 2 dem Beschluss beigefügte Vergütungsplan ist sowie dass dieses die im Beschluss näher angeführten weiteren Merkmale aufweist. Der Anlage AS 2 ist jedoch an keiner Stelle ein Hinweis auf die von dem Antragsgegner mit der Anlage A 8 vorgelegten Richtlinien sowie deren Einbeziehung in das jeweilige Vertragsverhältnis zu entnehmen. Dass diese in jedem Fall bei Abschluss einer Vertriebsvereinbarung im streitgegenständlichen Sinne Vertragsbestandteil werden, hat der Antragsgegner darüber hinaus auch nicht glaubhaft gemacht, zumal dieses Vorbringen von der Antragstellerin bestritten worden ist.
Selbst wenn man aber zu Gunsten des Antragsgegners die Einbeziehung vorstehend angeführter Richtlinien annehmen wollte, würde dies am Ergebnis nichts ändern.
Die in Ziff. 8.1.2 enthaltene lediglich 30 tägige und auf $ 150,–beschränkte Rückgabegarantie bzgl. für den Eigenbedarf erworbener Produkte vermag dem in Rede stehenden System nicht zur rechtlichen Zulässigkeit verhelfen. Dies, da bei einer Rücksendung von Waren binnen eines Jahres mit einem Wert von mehr als $ 300,– dem Berater gekündigt wird (vgl. S. 3 der Regelung in Ziff. 8.1.2). Waren im Wert von $ 300,– hat ein Vertriebspartner – selbst auf der untersten Qualifikationsstufe Silber – jedoch schon bereits innerhalb von lediglich drei Monaten abnehmen müssen, um seine Provisionsberechtigung aufrecht zu erhalten. Die Annahme, diese Regelung sei geeignet den Berater davor zu schützen, mehr Produkte des Unternehmens SISEL abzunehmen, als er tatsächlich selber verbrauchen kann, erscheint abwegig, zumal er bereits bei einer Rückgabe von Waren in einem – bezogen auf seinen jährlichen Mindestumsatz auf der untersten Qualifikationsstufe – geringen Maße mit der Kündigung seines Beratervertrags rechnen muss.
Gleiches gilt auch für das unter Ziff. 8.2 geregelte Recht des Beraters, vorhandene Warenbestände bei Beendigung der Beratervereinbarung zurückzugeben. Ausweislich der dortigen Regelung enthält des Berater für solchermaßen zurückgegeben Produkte lediglich 30 der Nettokosten des ursprünglichen Verkaufspreises rückerstattet (abzgl. Provisionen etc.).
Nicht anders verhält es sich bzgl. der weiteren Hinweise auf die in Ziff. 6.1. erfolgte Definition des PV (Personal Volume), sowie das in Ziff. 4.13 angegebene Verbot, Produkte in unverhältnismäßigen Mengen primär zum Zwecke der Qualifizierung für Provisionen oder Boni oder des Aufsteigens im Vergütungsplan zu kaufen.
Diesen Richtlinien steht nämlich das tatsächlich beworbene Konzept in diametraler Weise entgegen, was bereits oben dargetan worden ist.
Die in den Richtlinien enthaltene Definition des Personal Volumes, demzufolge dieses Einkäufe des Beraters, als auch solche erfasst, welche vom Berater persönlich eingeschriebene Direktkunden getätigt haben, findet in der Anlage AS 2 keine Entsprechung. Hier wird das PV nämlich lediglich definiert als „die Bewertung und Berechnung eines Produktes, um dessen Wert bzw. dessen Preis laut SISEL Preisliste darzustellen. Anhand des Personal Volumes werden Bonus Qualifikationen berechnet“.
Dass das beworbene Vertriebskonzept primär darauf ausgerichtet ist, einen Warenabsatz und mithin Umsatz im System selber zu generieren, während hingegen der Verkauf von SISEL Produkten an Systemfremde lediglich von untergeordneter Bedeutung ist zeigt sich ferner in dem so genannten „Automatic Purchase Programm“, welches das Unternehmen SISEL seinen Beratern anbietet und welches Gegenstand der ange¬griffenen Werbung gem. Anlage AS 2 ist. Ausweislich der Seite 3 der Anlage AS 2 (unter „Glossar“) ist dieses definiert, als „ein von SISEL angebotenes Programm, um automatisch eine monatliche Lieferung von Produkten zu gewährleisten. Sie haben durch ein Abo wesentliche Vorteile, wie z.B. eine gesicherte Qualifizierung und zugleich maxi¬male Provisionszahlungen“ (Unterstreichungen durch das Gericht). Das in Rede stehende Konzept sieht mithin ein vom tatsächlichen Bedarf unabhängiges Abonnement vor, dessen Vorzug gerade in der Aufrechter¬haltung einer gesicherten Qualifikation und einer maximalen Pro¬visionsberechtigung liegt.
Lediglich ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass entgegen des anders lautenden Vorbringens des Antragsgegners die sich im Beschlusstenor befindliche Angabe ca. 80,– € (bzw. ca. 120,– € sowie ca. 160,– €) einer hinreichenden Bestimmtheit des Tenors nicht entgegensteht. Der Antragsgegner hat selber vorgetragen, dass es sich bei der silbernen Qualifizierung von 100 PV (Personal Volume) um einen erforderlichen Umsatz i. H. v. $ 100,– handelt. Aus der eidesstattlichen Versicherung gem. Anlage AS 3 ist ersichtlich, dass der Antragsgegner diesen Betrag in € 80,– – mithin in das für den angesprochenen Verkehr relevante Zahlungsmittel Euro – umgerechnet hat. Auf Grund des schwankenden Wechselkurses war der Antragstellerin eine konkretere Bezifferung nicht möglich, so dass sie durch die vorgenommene „ca.-Angabe“ etwaigen Kursschwankungen in zulässiger Weise Rechnung getragen hat.
Die Kostenentscheidung basiert auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 6 ZPO, 711 ZPO.“
Update:
Hinzuzufügen ist noch, dass die Parteien sich mittlerweile gütlich geeinigt haben und die Klägerin auf die Rechte aus dem o.g. Urteil verzichtet hat.