Im Direktvertrieb wird nicht selten zu Werbemaßnahmen gegriffen, die rechtlich unzulässig sind. So verwenden beispielsweise eine Vielzahl von Nahrungsergänzungsmittel-Vertriebe wettbewerbwidrige Werbeaussagen, indem sie den Käufern die Heilung ihrer Krankheiten durch das angepriesene Produkt versprechen oder behaupten, dass Wirkungen eines Produktes wissenschaftlich gesichert seien, was tatsächlich aber nicht stimmt.
Unerlaubte Werbeaussagen führen nicht selten zu Abmahnungen durch andere Wettbewerber, die sich nicht solcher gesetzeswidriger Werbepraktiken bedienen. Dabei erfordert die Vielzahl der unerlaubten Werbeaussagen insbesondere im Internet auch die entsprechende Anzahl von Abmahnungen.
Im Internet kursiert allerdings eine rechtlich nicht haltbare Ansicht zu Abmahnungen. Insbesondere liest man immer wieder in Internetforen, dass der Versand einer Vielzahl von Abmahnungen ein unzulässiges Verhalten darstellt, so dass man der Abmahnung nicht folgen muss und auch die Anwaltkosten nicht zu ersetzen hat.
Dieser Einwand der Massenabmahnung sollte jedoch mit großer Vorsicht angewandt werden, da er sich schnell als kostspieliger Irrtum entpuppen kann.
Grundsätzlich ist nämlich eine Marktbereinigung einhergehend mit der Versendung einer größeren Anzahl von Abmahnungen nach Ansicht der ganz herrschenden Rechtsprechung rechtlich unbedenklich und vom Gesetzgeber gewollt. Voraussetzung ist hierfür, dass das abmahnende Unternehmen ein berechtigtes Interesse für die Versendung der Abmahnungen hat. Ein berechtigtes Interesse liegt immer dann vor, wenn etwa durch massenhaft vorhandene unerlaubte Werbung wie z.B. das verbotene Werben mit Heilaussagen bei Nahrungsergänzungsmitteln dem einzelnen Unternehmen oder dem Markt insgesamt einen Schaden (etwa durch Warnungen von Verbraucherzentralen) droht.
So entschied das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. (Urteil vom 09.02.2006, – Az.: 6 U 94/05)), dass Unternehmen berechtigt sind, mehrere hundert Fälle durch Abmahnung verfolgen zu lassen und die entsprechenden Rechtsanwaltskosten einzufordern.
Das Landgericht Köln (Urteil vom 23.11.2005 – Az.: 28 S 6/05) meinte auf den Einwand der Massenabmahnung wörtlich:
„Schließlich ist auch ohne Belang, dass es Hunderte gleichgelagerter Fälle gegeben hat und daraus beträchtliche Einnahmen geflossen sind. Die Verfolgung vieler Verletzungen bringt zwangsläufig auch viele Kostenerstattungsansprüche mit sich. Dass der einzelne Verletzter aufgrund der Massenhaftigkeit des Geschehens insofern davon profitieren können soll, dass allein wegen der Massenhaftigkeit plötzlich die Rechtsverfolgung missbräuchlich wird, ist nicht einleuchtend. Viele Verletzungen fordern viele Abmahnungen heraus … . Zudem haben die Berufungsklägerinnen im Zuge gütlicher Einigungen unstreitig nicht unerhebliche Gebührenreduzierungen angeboten. Auch dies zeigt, dass es nicht primär um die Erzielung von Einnahmen, sondern um die wirksame Unterbindung von Rechtsverletzungen geht.“
Das Landgericht Hamburg (Mündliche Verhandlung vom 12.09.2006 – Az.: 312 O 574/06) hat kürzlich in einer mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass es im Sinne des Gesetzgebers sei, wenn ein Unternehmen auf eine Vielzahl von Rechtsverstößen mit einer Vielzahl von Abmahnungen reagiert. Das Instrumentarium des Wettbewerbsrechts sei insbesondere auch für Fallkonstellationen geschaffen worden, in denen Wettbewerber im Wege der Marktsäuberung zu einem wettbewerbskonformen Verhalten veranlasst werden sollen. Große Verbrauchermärkte würden pro Tag 30 Abmahnungen und mehr aussprechen, ohne dass das Verhalten rechtsmissbräuchlich sei. Eine rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung könne nur in ganz engen Grenzen vorliegen, etwa wenn ein Unternehmen ohne nennenswerten eigenen Umsatz eine Vielzahl von Wettbewerbern abmahnt. Dies sei aber bei einem Unternehmen mit einem siebenstelligen Jahresumsatz nicht der Fall.
Somit ist festzustellen, dass Abgemahnte aufgrund unrichtiger Laienkenntnisse in Bezug auf den Einwand der Massenabmahnung häufig in vermeidbare und kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzungen geraten. Die Kosten der Abmahnung, die in wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen häufig bei ca. 1.000,00 € liegen, summieren sich durch eine gerichtliche Auseinandersetzung schnell auf 5.000,00 € und mehr, so dass der Einwand der Massenabmahnung mit großer Vorsicht zu genießen ist.