Aussagen zu Elektromagnetfeld-Applikatoren verstoßen teils gegen das Heilmittelwerbegesetz
Das Direktvertriebsunternehmen Bemer International AG mit Sitz in Liechtenstein vertreibt über Vertriebspartner unter anderem PEMF-Elektromagnetfeld-Applikatoren. Dabei haben Vertriebspartner zur Bewerbung Aussagen verwendet, die dem Gerät eine heilende Wirkungen zuschrieben. Derartige Aussagen wurden zum Teil auch von der Bemer International AG selbst getätigt.
Ein mit der Bemer International AG im Wettbewerb stehendes Unternehmen ist nun dagegen vorgegangen und hat eine Einstweilige Verfügung erwirkt (Landgericht Hamburg, Beschluss vom 31.01.2023, Az.: 406 HKO 7/23) . Damit ist es der Bemer International AG verboten, selbst oder über ihre Vertriebspartner insgesamt sieben Aussagen zu dem Gerät zu tätigen. Nach Ansicht des Gerichts verstoßen die Aussagen gegen § 3 Nr. 1 Heilmittelwerbegesetz, da sie irreführend sind, weil sie eine therapeutische Wirksamkeit bzw. Wirkung vorgeben, die das Gerät aber nicht hat. Die Wirkungsaussagen zum Bemer-Gerät wurden vom LG Hamburg somit verboten.
Der Beschluss reiht sich ein in eine Reihe anderer Urteile gegen die Bemer International AG, die ihr ebenfalls bestimmte Aussagen zu dem Gerät untersagt haben.
Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Die Bemer International AG hat die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen.
English version
Statements of effect regarding Bemer device prohibited by Hamburg Regional Court (Landgericht Hamburg)
The direct marketing company Bemer International AG, based in Liechtenstein, distributes among other things PEMF electromagnetic field applicators through distribution partners. In this regard, distribution partners made promotional statements attributing curative effects to the device. Such statements were also made to some extent by Bemer International AG itself.
A company competing with Bemer International AG has now taken action against this and obtained an interlocutory injunction (Hamburg Regional Court, decision dated January 31, 2023, case no.: 406 HKO 7/23). This prohibits Bemer International AG from making a total of seven statements about the device, either directly or through its distribution partners. In the opinion of the court, the statements violate Section 3 (1) of the German Drug Advertising Act (Heilmittelwerbegesetz), as they are misleading because they claim a therapeutic efficacy or effect, which the device does not have.
The decision follows a series of other rulings against Bemer International AG, which have likewise prohibited it from making certain statements about the device.
The decision is not final. Bemer International AG may file an appeal.
MLMs könnten zukünftig von der Business Oppurtunity Rule eingeschlossen werden
Wenn man in den USA jemanden für eine Geschäftsmöglichkeit gewinnen will, muss man die Business Oppurtunity Rule einhalten. Diese Regelung wurde vor etwa 10 Jahren von der Federal Trade Commission (FTC) etabliert und soll Personen davor schützen in fragwürdige Geschäfte zu investieren. Im Klartext: Die Business Opportunity Rule soll Werber dazu zwingen ihre immensen Einkommensversprechungen auch zu beweisen.
Dafür wird von ihnen verlangt, eine Vielzahl ihrer Informationen offenzulegen: Welche rechtlichen Schritte bereits gegen sie eingeleitet wurden und wie das Rückgaberecht bzw. die Stornierungsbedingungen aussehen. Zudem müssen mindestens 10 Personen genannt werden, die zuletzt in das Geschäft investiert haben. All diese Angaben sind 7 Tage, bevor die nächste rekrutierte Person etwas unterschreibt oder selbst Geld investiert, darzulegen.
Ein entscheidendes Geschäftsmodell hat die FDA jedoch damals von der Business Opportunity Rule ausgenommen: Multi-Level-Marketing (MLM). Ganz zum Protest einiger MLMKritiker. Doch diese scheinen bald Gehör zu finden: So hat die FTC im Juni angekündigt, dass die Business Opportunity Rule im Rahmen ihres 10-jährigen Prüfungsverfahrens erneut kontrolliert werden solle und eine große Chance bestehe, dass MLMs dieses Mal von der Regelung eingeschlossen werden. Denn erst Anfang des Jahres hat der FTC Kommissar Rohit Chopra gefordert, dass die Business Opportunity Rule sowohl Gig-Economy-Plattformen, als auch MLMs betreffen solle. Womit sicher ist, dass er gemeinsam mit anderen Kommissaren, wie dem MLM kritischen Republikaner Noah Phillips, den Fall genauer unter die Lupe nehmen wird. Dies könnte zu einer desaströsen Dezimierung von MLMs führen.
Denn selbst wenn die FTC die Business Opportunity Rule nicht ändert oder der Prozess Monate bzw. Jahre in Anspruch nehmen wird, könnte diese Entwicklung dazu führen, dass MLMs zukünftig stärker reguliert werden.
Die Entwicklung der Business Opportunity Rule
Die Business Opportunity Rule, die erstmals 2006 vorgeschlagen worden war und schließlich in 2011 finalisiert wurde, soll die Verbraucher vor betrügerischen Geschäftsmöglichkeiten schützen indem festgelegt ist, wann und was den potentiellen Rekruten mitgeteilt wird.
Als die Regelung erstmalig besprochen wurde, tat die MLM Industrie alles daran, dass sie nicht von ihr eingeschlossen werden würde. Und sie war erfolgreich: Die FTC beschloss sie von der Regelung auszuschließen, da es für die MLM eine weitaus stärkere Belastung darstelle und nicht im Verhältnis zu dem Nutzen für den Verbraucher stehe. Ein FTC Mitarbeiter sagte aus, dass man MLMs nicht pauschal als Pyramidensysteme verteufeln dürfe, sondern man vielmehr von Fall zu Fall entscheiden müsse. Zudem reichten die Aufzeichnungen über MLMs nicht aus, um als Grundlage herzuhalten, die MLMs offenzulegen und damit Verbraucher besser zu schützen. Von Kritikern wurde die damalige Entscheidung der FTC dennoch angezweifelt. Diese hoffen nun auf eine neue Entscheidung ihrerseits. Denn es ist zu erwarten, dass die FTC dieses Mal auch verstärkt von der anti-MLM Community zu hören bekommen wird.
Wie lange wird der Regelsetzungsprozess andauern?
Die FTC hält sich über ihren Regelsetzungsprozess sehr bedeckt. Sie werden die Änderung der Regelung höchstwahrscheinlich Anfang Dezember in Angriff nehmen. Doch auch dann wird der Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen. So muss die FTC öffentliche Kommentare einholen, Mitteilungen an die Gesetzgeber senden und Argumente zur Änderung vorbringen. Es ist ein langwieriger und mühsamer Prozess.
Der CEO und Präsident der Direct Selling Association (DSA), Joseph Marino, sagte jedoch schon von Vornherein aus, dass sich die Organisation bereits auf eine Zusammenarbeit mit der FTC hinsichtlich aller Regelungen, die für Direktverkäufer Anwendung finden, freue. Die DSA setze sich nämlich seit langer Zeit für den Verbraucherschutz ein und fördere die Selbstregulierung, um die staatliche Regulierung zu ergänzen. Marino verwies auch auf den Selbstregulierungsrat und den Ethikkodex der DSA, der von den Mitgliedsunternehmen und den Verkäufern eingehalten werden muss.
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Kryptomärkte – Unsicheres Gebiet mangels klarer Rahmenbedingungen
Es ist zu erwarten, dass Bitcoin & Co. in Deutschland weiter in den Mainstream vorrücken dürften. Krypto-Märkte sind geprägt von einem regelrechten Wildwuchs an Projekten sowie Entwicklungen. Der Grund: Es fehlen gesetzlich klar definierte Rahmenbedingungen. Die Bedeutung der Krypto‑Industrie nimmt aber tagtäglich zu. Weltweit ist aufgrund dessen eine stark zunehmende Regulierung zu erkennen. Diese Regulierungen werden nicht immer positiv aufgefasst, stellen aber im Grunde positive Entwicklungen dar. Denn wenn Krypto‑Anbieter ordnungsgemäß geprüft und Krypto-Börsen sodann, liegt der Verdacht eines illegalen Vorgehens vor, auch geschlossen werden, verdeutlicht dies Transparenz. Hierdurch wird die Rechtssicherheit gesteigert.
Fondsstandortgesetz: Hintergrund und Gesetzgebungsverfahren
Besonders interessant im Hinblick auf die „Kryptoentwicklungen“ ist derzeit das Fondsstandortgesetz (FoStoG). Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland (Fondsstandortgesetz – FoStoG) stammt aus der Feder der Bundesministerien Finanzen und Wirtschaft unter der Leitung von Olaf Scholz (SPD) und Peter Altmeier (CDU). Mit dem Fondsstandortgesetz wird eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 in nationales Recht umgesetzt. So soll der grenzüberschreitende Vertrieb von Investmentfonds durch einheitliche Regelungen vereinfacht werden.
Möglichkeit der Investition in Kryptowährungen – Positive Entwicklungen durch das Fondsstandortgesetz (FoStoG)
Positive Nachrichten in der Kryptowelt aus Deutschland: Zum 02.08.2021 trat das neue Fondstandortgesetz (FoStoG) in Kraft. Danach dürfen deutsche Spezialfonds, die von Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Vermögensverwaltern genutzt werden, fortan bis zu 20 % ihrer Vermögenswerte in Kryptoassets, wie etwa Bitcoin, investieren. Künftig sind somit Kryptowerte für offene inländische Spezialfonds mit festen Anlagebedingungen in Höhe bis zu 20 % des Fondsvermögens erwerbbar.
Verdeutlicht wird hierdurch unter anderem, dass Kryptowährungen als wichtige Zukunftstechnologie in der Finanz‑ und Realwirtschaft angekommen sind. Für institutionelle Krypto‑Fonds werden in Deutschland somit die Tore geöffnet. Hierdurch wird der deutsche Finanzplatz international gestärkt. Die Aufnahme von Krypto-Assets in die Spezialfonds ist ein wichtiger Schritt für deren Akzeptanz und stärkt Deutschlands Position als Finanzinvestitions-Standort.
Einziger Haken: Hinsichtlich der geplanten Anlagen in Kryptowerte sollte geklärt werden, ob hierfür eine Erlaubniserweiterung durch die BaFin erforderlich ist. Es bleibt abzuwarten, ob durch die Regelungen der deutsche Finanzplatz tatsächlich umfassend gestärkt wurde.
Erhebliche Zunahme von Investitionen in den Kryptomarkt?
Noch verhält sich die Investmentbranche zögerlich. Zunächst muss schließlich eine Entscheidung fallen, welches Blockchain‑Thema sie künftig beschäftigen wird. Experten gehen aber davon aus, dass durch die neuen Regelungen großvolumige Investitionen in den Kryptomarkt freigesetzt werden könnten. Sollten die Spezialfonds die 20 %‑Grenze ausnutzen, würden hierdurch Hunderte Milliarden Euro zusätzlich in den Kryptomarkt fließen.
Zur Veranschaulichung: Deutsche Spezialfonds verwalten derzeit rund 2,1 Bio. USD. 20% hiervon sind etwa 400 Mrd. USD. Die gesamte Krypto-Marktkapitalisierung beläuft sich derzeit auf circa 1,55 Bio. USD.
Es ist zwar nicht zu erwarten, dass Spezialfonds (umgehend) in hohen Gewichtungen in Bitcoin oder ähnliche Kryptowährungen investieren werden. Die Zahlen zeigen aber, dass das Marktvolumen an den Kryptomärkten – nach wie vor – gigantisch ist. Die beiden wichtigsten Kryptowährungen (Bitcoin und Ethereum) vereinen derzeit rund 65 % des gesamten Cryptocoin‑Volumens. Die geschaffene Rechtssicherheit wird dazu führen, dass börsennotierte Unternehmen zunehmend in Kryptowährungen, insbesondere in den Bitcoin, investieren, um Unternehmensgelder gezielt zu veranlagen. Daneben ist zu erwarten, dass insbesondere Ethereum an Bedeutung gewinnen und in das Blickfeld institutioneller Investoren rücken wird. Zwar sind bis dato lediglich drei börsennotierte Unternehmen mit Ethereum‑Investments verzeichnet, siehe hierzu https://www.coingecko.com/en/public-companies-ethereum (im Vergleich: 26 börsennotierte Unternehmen halten derzeit Bitcoins, dazu https://www.coingecko.com/en/public-companies-bitcoin).
LG und KG Berlin entscheiden über einen Wettbewerbsverstoß
In seinem Urteil vom 18.12.2018 entschied das LG Berlin (16 O 49/18), dass ein unangekündigter Vertreterbesuch in der Privatwohnung eines Verbrauchers zur Unterbreitung eines Angebots eine unzumutbare Belästigung und damit einen Wettbewerbsverstoß darstelle. Über die Berufung entschied nun das KG Berlin 5. Zivilsenat (5 U 26/19) und korrigierte das vorhergehende Urteil. Wir geben Ihnen einen Überblick über die beiden Urteile und beantworten die Frage: Ist ein unangekündigter Haustürbesuch ein Wettbewerbsverstoß?
Wie sah der Haustürbesuch des Vertreters aus?
Ein Vertriebsmitarbeiter des beklagten Energieversorgungsunternehmens war unangekündigt in der Wohnung des Klägers aufgetaucht. Nach einem Gespräch mit dem Vertreter wechselte er zur Beklagten als Stromanbieter. Laut dem Kläger, habe der Vertriebsmitarbeiter behauptet von der Hausverwaltung als Stadtwerksmitarbeiter engagiert worden zu sein: Er sollte den Hausbewohnern das Angebot unterbreiten zu einem neuen Stromtarif zu wechseln. Der Kläger sah die Haustürwerbung, die ohne Zustimmung der aufgesuchten Person geschehe, als unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) an. Im Gegensatz zu anderen Werbeformen wie der Telefonwerbung, wo man dem Gespräch durch einfaches Auflegen entgehen könne, sei dies bei der Haustürwerbung nicht der Fall.
Die Beklagte hielt dagegen, dass nach der BGH Rechtsprechung die Haustürwerbung als zulässig erachtet werde. Des Weiteren sehe sie in der Untersagung der Haustürwerbung einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit gemäß Artikel 12 Grundgesetz (GG).
LG Berlin: „Man kann dem Vertreter beim unangekündigten Haustürbesuch schlecht die Tür vor der Nase zuknallen!“
Das LG Berlin entschied, dass eine Werbemaßnahme belästigend sei, wenn der Werbende den Verbraucher dazu zwinge sich mit seinem Angebot auseinanderzusetzen und damit in seine Privatsphäre eingreife. Zudem müsse eine Interessenabwägung vollzogen werden, wo ebenfalls die Interessen der Werbedienstleister und der am Angebot interessierten Personen reinspielen. Abwägungskriterien wären die Eingriffsintensität in die Privatsphäre, ob ein schonendere Vorgehensweise möglich wäre, welche Ausweichmöglichkeiten der Verbraucher habe und die drohende Gefahr, dass sich solche Belästigungen von einem einzelnen Vorkommnis weiter steigern könnten. Anhand dieser Maßstäbe sei ein unangekündigter Haustürbesuch als belästigend einzustufen. Der Verbraucher müsste in jedem Fall seinen Tag unterbrechen, um den Vertreter an der Tür zu empfangen, was Personen mit körperlichen Behinderungen besonders schwer fiele. Das Abwimmeln über die Gegensprechanlage sei auch nicht bei jedem Haustyp möglich oder der Vertreter würde sich fälschlicherweise mit der Bezeichnung „Post“ Zutritt verschaffen. Wenn der Vertreter nun direkt vor der Haustür stehe und sein Anliegen dem Verbraucher kundtue, sei auch hier das Entziehen aus dem Gespräch schwierig. Denn die meisten Verbraucher werden aus Gründen der Höflichkeit nicht einfach der Person die Tür vor der Nase zuknallen und so würden sie leicht in ein Gespräch verwickelt werden. Dies sei noch belästigender als die Telefonwerbung, wo der Verbraucher einfach auflegen könne, ohne der Person dabei ins Gesicht schauen zu müssen. Ein Entziehen durch das Anbringen eines Schildes sei auch nicht in jeder Mietwohnung möglich. Stattdessen könne das werbende Unternehmen vielmehr den Hausbesuch im Vornherein ankündigen. Dieser Eingriff in die Berufsfreiheit sei durch die Wahrung der Privatsphäre der Verbraucher vor der Belästigung und seinem Überrumpelungseffekt gerechtfertigt. Zudem könne man nicht mehr an den Entscheidungen des BGHs zur Thematik festhalten. Sie seien zu einem Zeitpunkt getroffen worden, als die Bevölkerung noch nicht wusste, wann ein Privatsphären Eingriff vorläge, was sich mittlerweile geändert habe.
KG Berlin: Eine unzumutbare Belästigung vom Vertreter sieht anders aus
Das KG Berlin korrigierte das Urteil des LG Berlin und widersprach dem stattgegebenen Unterlassungsanspruch. Die Voraussetzungen aus § 7 Abs. 1 S. 1 UWG seien nicht erfüllt. Ein Haustürbesuch hänge nicht unbedingt von einer vorherigen Ankündigung, die nicht zwangsläufig Vorteile für den Verbraucher, aber dafür immensen Aufwand von Seiten des werbenden Unternehmens bedeute, und der Einwilligung der Verbraucher ab. Das KG stimmt dem LG insoweit zwar zu, dass ein unangekündigter Haustürbesuch eine Belästigung nach § 7 Abs. 1 S. 1 UWG darstelle. Allerdings fehle es an der Unzumutbarkeit. Diese liege erst vor, wenn die Belästigung eine derartige Intensität erreiche, dass die meisten Verbraucher sie als unerträglich einstufen würden. Dies ist anhand einer Abwägung der entgegenstehenden Interessen zu ermitteln.
Auch europrechtliche Vorgaben, wie die UGP-Richtlinie (2005/29/EG), lassen nicht darauf schließen, dass ein unangekündigter Haustürbesuch einen Wettbewerbsverstoß darstelle.
Der BGH hat einen unangekündigten Haustürbesuch ausdrücklich als zulässig eingestuft, da die traditionell zugelassenen gewerblichen Tätigkeiten zu schützen seien und jeder Verbraucher frei entscheiden könne, wen er in sein Haus ließe. Der Senat kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass ein Haustürbesuch selbst ohne Ankündigung zulässig sei und die Interessen der Verbraucher nicht diejenigen der werbenden Unternehmen übersteige. Dass Vertreter sich unangemeldet Zugang verschaffen, sei zudem kein typisches Verhalten.
Nach mehreren Entscheidungen in der Vergangenheit, hatte der BGH vor nicht allzu langer Zeit erneut über die Thematik entschieden (BGH Urt. v. 18.06.2014 – I ZR 242/12) und dabei nicht den Anschein gegeben in Zukunft von dieser Rechtsprechung abzurücken.
Bezüglich der Anzahl an Haustürbesuchen ist derzeit keine Veränderung zu sehen aus der man folgern sollte, dass der unangekündigte Haustürbesuch einen Verstoß des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG bedeute. Daher ist keine Rechtserstarrung zu erwarten, die den BGH dazu veranlassen würde sich ein weiteres Mal mit der Frage zu beschäftigen.
In Frankreich gelten besondere Regeln fürs Network Marketing: Unternehmen müssen Sozialabgaben für ihre Direktvertriebler und Berater zahlen.
Network Marketing hat sich in den letzten Jahren als erfolgreiches Geschäftsmodell für viele Unternehmen erwiesen. Lokal agierende Direktvertriebler sind ein effektiver Weg, Produkte auf den jeweiligen Markt zu bringen. Aber aufgepasst: in Frankreich gibt es für sie den sogenannten VDI Status.
Demnach muss das Unternehmen, für das er tätig ist, Sozialabgaben für ihn zahlen – auch wenn der Direktvertriebler selbstständig ein Unternehmen berät und eben nicht bei ihm angestellt ist. Das Unternehmen ist außerdem dafür zuständig, seinen Berater steuerlich richtig anzumelden. Tut es das nicht, gilt die Tätigkeit als Schwarzarbeit – und man haftet als Unternehmen dafür, auch wenn die Nicht- oder Falsch-Anmeldung nicht mit Absicht passiert ist…
So einen Fehler gilt es also unbedingt zu vermeiden. Deswegen klären wir hier die wichtigsten gesetzlichen Vorschriften. Die erfahrenen Anwälte von SBS Legal werfen einen juristisch versierten Blick auf Network Marketing bei unseren französischen Nachbarn: Wie muss man als Unternehmen seinen Berater sozialversichern? Und was gibt es steuerlich zu beachten?
Wer oder was ist ein VDI überhaupt?
VDI steht für „Vendeur à Domicile Indépendant“ und bedeutet so viel wie „unabhängiger Haus-zu-Haus-Verkäufer“. Gemeint ist damit ein Direktvertriebler oder Berater. Er erhält eine Provisionszahlung von einem Unternehmen und bewirbt dessen Produkt dann über das Internet oder in Gesprächen mit Bekannten, Nachbarn etc. Führt seine Tätigkeit dazu, dass die angeworbene Person das Produkt tatsächlich kauft, geht ein festgelegter Prozentsatz des Gewinns an ihn.
In Frankreich hat so ein Direktvertriebler seit 1933 einen eigenen rechtlichen Status inne – den besagten VDI-Status. Er gilt als unabhängiger Unternehmer, der über einen Geschäftsvertrag mit einem Unternehmen Aufträge annimmt. Diese Aufträge bestehen darin, die Produkte des Unternehmens zu verkaufen. Bei diesem Geschäftsvertrag handelt es sich ganz deutlich nicht um einen Arbeitsvertrag, das heißt der VDI ist kein Angestellter dieses Unternehmens – sondern in seiner Ausübung frei. Er ist auch weder im frz. Handelsregister (Registres du commerce et des sociétés – RCS) noch als Handelsvertreter registriert.
Weitere konkrete Regularien sind im „Code de Commerce“ (frz. Handelsgesetzbuch; Artikel L135 -1, L135-2, and L135-3) sowie im „Code de la sécurité sociale“ (frz. Sozialgesetzbuch; Artikel L311-3 20) festgeschrieben. So darf ein VDI nur drei Jahre lang tätig sein und dabei 20.568€ pro Jahr verdienen (Stand: 2020). Danach bzw. darüber verliert er seinen „besonderer-Selbstständiger-Status“ als VDI und muss stattdessen eine eigene Firma gründen. Oder die Firma, für die er arbeitet, setzt eine andere Grenze – z.B. ein monatliches Einkommen von maximal 1.000€ über ein halbes Jahr hinweg. Wenn er diese vertraglich festgehaltene Grenze überschreitet, muss er also schon vor den gesetzlichen 20.568€ im Jahr eine eigene Firma gründen, um weiterhin als Berater für das Unternehmen tätig sein zu können.
Sozialabgaben: Unternehmen zahlen zwei Drittel für ihren selbständigen Berater
Im französischen „régime général“ sind grundsätzlich Arbeitnehmer registriert, manchmal aber auch Selbständige – so wie der VDI. Er gibt dem Unternehmen, für das er arbeitet, seine Krankenversicherungskarte („Carte Vitale“), seine 15-stellige Sozialversicherungsnummer („numéro de sécurité sociale“) und seine SIRET-Nummer („Système d’identification du répertoire des établissements“; Unternehmenscode/Steuernummer) geben. Das Unternehmen benötigt diese Daten, da es nämlich die Sozialabgaben des VDIs anhand seiner Einnahmen selbst berechnen und bezahlen muss. Dabei kann es allerdings ein Drittel vom Berater zurückfordern – meist wird dieser Anteil automatisch abgezogen. Zwei Drittel der Sozialabgaben des VDIs muss das Unternehmen aber in jedem Fall selbst tragen. Es empfiehlt sich deswegen, die die Preise für ein Produkt in Frankeich um fünf bis sechs Prozent höher anzusetzen, um so die Kosten in Form von Sozialabgaben für den VDI wieder reinzuholen
Ein Drittel muss der VDI an das Unternehmen zurückzahlen – meist als Vorauszahlung:
Normalerweise erhebt ein Unternehmen, das einen selbstständigen Berater in Anspruch nimmt und also dessen Sozialabgaben zahlen muss, vier bis fünf Prozent auf seinen Rechnungsbetrag – als eine Art Vorauszahlung auf das eine Drittel der Sozialabgaben, das das Unternehmen vom Berater zurückfordern kann. Zum Quartalsende wird dann geguckt: Wie hoch sind die Sozialabgaben tatsächlich gewesen und wie viel ist durch die Vorauszahlung bereits gedeckt? Muss der Berater noch mehr an das Unternehmen zahlen oder kriegt er sogar wieder etwas zurück?
Ein anderer Weg ist es, die Sozialabgaben über Bonuszahlungen zu regeln – bzw. eben über keine Bonuszahlungen. Oder das Unternehmen zieht die entsprechende Summe einfach per Lastschrift oder Kreditkarte vom Konto seines Beraters ein.
Steuerliche Aspekte: Unternehmen müssen ihren Subunternehmer selbst anmelden!
Der VDI gilt in Frankreich steuerrechtlich als Kleinunternehmer („micro-entrepreneur“) und muss als solcher keine Umsatzsteuer zahlen – jedenfalls solange er unter einer gewissen jährlichen Obergrenze bleibt. Liegt sein Profit darüber oder arbeitet er schon über drei Jahre lang als Direktvertriebler, verliert er seinen VDI-Status und muss sich stattdessen als Beraterfirma im französischen Handels- und Gesellschaftsregister eintragen lassen („Registre du Commerce et des Sociétés“ – RCS). Solange er aber noch ein VDI ist, gilt der Direktvertriebler als Subunternehmer für die Firma, deren Produkte er bewirbt. Entsprechend ist diese Firma dafür zuständig, dass ihr Subunternehmer (der VDI) steuerlich korrekt angemeldet ist. Für mögliche Fehler und bspw. damit einhergehende Verspätungszuschläge haftet nämlich die Firma!
Seine Steuererklärung muss der VDI hingegen jedes Jahr selbst machen und dabei all seine Einkünfte, also seinen geschätzten Gewinn durch Verkäufe sowie weitere Boni, einbeziehen.
Ein VDI kann sich von der Mehrwertsteuer befreien lassen:
Der VDI muss seine Quellensteuererklärung unter nicht-kommerziellen Gewinnen („Benefits Non Commerciaux“ – BNC) einreichen. Daraus gehen nämlich seine jährlichen Einkünfte hervor, anhand derer berechnet wird, wie viel Einkommenssteuer der VDI zahlen muss. 34% seiner Provisionen gelten dabei als Betriebsausgaben – und sind demnach steuerfrei.
Zudem kann der VDI sich als Kleinunternehmer (micro-entrepreneur) von der Mehrwertsteuer (value added tax – VAT) auf seine Provisionen befreien lassen. Dafür muss er spätestens 15 Tage nach Unterschreiben des Geschäftsvertrags mit dem Unternehmen eine Erklärung in Form des POi-Formulars bei der URSSAF machen („Déclaration de début d’activité – Personne physique exerçant une activité non salariée indépendante“ bei der „Union de recouvrement des cotisations de la Sécurité sociale et d’allocations familiales“). Er erhält dann eine SIRET-Nummer (Steuernummer). Nur mit dieser SIRET-Nummer kann er dann auch wirklich von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden.
Zur Gewerbesteuer: zahlen oder nicht zahlen?
Zwar muss der VDI keine Umsatzsteuer und auf seine Provisionen auch keine Mehrwertsteuer zahlen – allerdings eventuell eine Art Gewerbesteuer (Cotisation Foncière des Entreprises – CFE). Sie ergibt sich aus dem jährlichen Verdienst des VDIs. Sobald er mehr als 16,5% der jährlichen Obergrenze für Sozialabgaben verdient, muss er CFE zahlen. Legt man seine Arbeit als Direktvertriebler nieder, sollte man die französische Steuerbehörde darüber informieren, um die CFE nicht mehr zahlen zu müssen.
Ungerechtfertigte Betrugsvorwürfe bei Bitclub-Anwerbung
In einem aufsehenerregendem Prozess vor dem Landgericht Hamburg (Az.: 307 O 317/19) hatte Herr Thomas Kaysh Herrn Jörg Wittke und eine weitere Person (im Folgenden „A“ genannt) auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Sein Vorwurf: Wittke und A hätten ihn für denBitclubangeworben und ihm dabei mit falschen Angaben und fehlerhafter Beratung einen finanziellen Schaden zugefügt.
Das Gericht sah die Ansprüche als nicht gegeben an. Zunächst sei schon ein Schaden fraglich, da Herr Kaysh immer wieder Ausschüttungen aus seinem Bitclub-Account vorgenommen hatte, die ihm nahezu einen kompletten Return on Investment bescherten. Der von Herrn Kaysh vertretenen These, dass er mehr herausgeholt hätte, wenn er einfach nur in Bitcoins und nicht in den Bitlub investiert hätte, mochte das Gericht nicht folgen.
Weiter sah das Gericht aber auch keine Haftungsgrundlage bei Herrn Wittke und A. Herr Wittke und Herr Kaysh haben sich niemals getroffen, auch nicht online. Es bestand also schon überhaupt kein Vertragsverhältnis.
Zwischen dem Sponsor A und Herrn Kaysh sei nach Ansicht des Gerichts zwar möglicherweise ein Vertragsverhältnis entstanden, jedoch hat keine individuelle Anlageberatung stattgefunden, da A Herrn Kaysh lediglich über das Angebot des Bitclubs informiert hat, dabei jedoch nicht auf die individuellen Bedürfnisse von Herrn Kaysh Bezug genommen hat.
Auch den Vorwurf des Betruges sah das Gericht als unbegründet an. Herr Wittke und A waren nicht in die vermeintlich betrügerischen Aktivitäten der Bitclub-Führung involviert gewesen oder hätten diesbezüglich Kenntnis gehabt. Vielmehr waren beide, so wie Herr Kaysh auch, unabhängige Vertriebspartner des Bitclubs und sind von dessen plötzlichem Ende ebenso überrascht worden, wie alle anderen Vertriebspartner und Kunden.
Mehrere Verfahren initiiert
Nachdem das Gericht Herrn Kaysh, der nicht nur dieses Klageverfahren gestartet, sondern auch ein Strafverfahren, eine TV-Berichterstattung und eine Diffamierungskampagne im Internet initiiert hatte, im Rahmen einer Gerichtsverhandlung die Aussichtslosigkeit seiner Klage dargelegt hat, entschloss sich dieser, die Klage zurückzunehmen und einen entsprechenden Verzicht zu erklären.