Schneeballsysteme und Haftungsrisiken: BGH‑Urteil vom 6. März 2025 stärkt Zurechnungshaftung (§ 31 BGB)

Hintergrund des Urteils (Az. III ZR 137/24): Haftung juristischer Personen bei betrügerischen Schneeballsystemen

Am 6. März 2025 fällte der Bundesgerichtshof (BGH) ein neues Urteil (Az. III ZR 137/24) zur Haftung juristischer Personen bei betrügerischen Schneeballsystemen. Der BGH bestätigt in diesem, dass eine Gesellschaft für Schadensersatz haftet, wenn ihr Organ in mehreren Rollen handelt. Auch die Zurechnungshaftung nach § 31 BGB bei paralleler Organstellung in mehreren Firmen wird wesentlich gestärkt.

Streitgegenstand: Lebensversicherungs‑Ankäufe als Fassade für ein Schneeballsystem

Im Zentrum des Falles stand eine Unternehmensgruppe, die unter dem Deckmantel des Ankaufs von Lebensversicherungen Anlegergelder einsammelte. Das Brisante dabei: Einer der Unternehmer fungierte in mehreren Gesellschaften als Vorstand bzw. Geschäftsführer und nutzte diese Positionen, um Anleger gezielt zu täuschen.

Bereits ab 2007 stellte das Unternehmen ihr eigentliches Geschäftsmodell ein, war aber weiterhin auf neues Kapital angewiesen. Die Zinszahlungen an Altanleger wurden zunehmend aus dem Geld neuer Investoren finanziert. Ein damit klassisches Schneeballsystem ohne wirksamen Vertriebsvertrag.

Die Gruppe bediente sich sogenannter Eigenverträge. Sie schloss als Versicherungsnehmerin Lebensversicherungen ab, vermittelte sie intern über die AG und löste intern Provisionen aus. Diese flossen bilanziell zurück, wodurch sie künstlich Gewinne erzeugten. Die vermeintliche wirtschaftliche Stärke der Gruppe stützte sich somit auf interne Zahlenspiele und war damit schlichtweg eine Täuschung, wie der BGH nun unmissverständlich feststellt.

Kernaussagen des Urteils: Zurechnungs‑ und Gesamtschuldnerhaftung nach § 31 und § 840 BGB

Ein Anleger, der 2011 Orderschuldverschreibungen in Höhe von 100.000 € erworben hatte, verlangte die Feststellung seines Schadens in Höhe von 95.011,53 € zur Insolvenztabelle. Seine Forderung richtete sich nicht gegen die betrügerische Hauptgesellschaft, sondern gegen die insolvente AG, vertreten durch ihren Insolvenzverwalter. Der Vorwurf: Aktive Beteiligung am System durch Vermittlung von Eigenverträgen mit dem Wissen und auf Anweisung des damaligen Vorstands.

Rechtsgrundlage ist der § 31 BGB, der hier als Zurechnungsnorm, jedoch nicht als Haftungsgrund, infrage kommt. Danach haften juristische Personen für unerlaubte Handlungen ihrer Organe, wenn diese in amtlicher Funktion handeln. Also im Rahmen dessen, wofür sie bestellt wurden.

Entscheidend ist nicht, ob das Organ nur für ein Unternehmen tätig war, sondern ob die schädigende Handlung dem jeweiligen Wirkungskreis des Unternehmens zugeordnet werden kann. In diesem Fall bedeutet das: Wer betrügerische Handlungen durch ein konzernübergreifendes Organ geschehen lässt, kann nach § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner konzernübergreifend haften. So wie der BGH auch entschied.

Gesetzestext: § 31 BGB – Haftung des Vereins für Organe

„Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.“

Straf‑ und zivilrechtliche Relevanz: Betrug, Kapitalanlagebetrug und sittenwidrige Schädigung

Das Gericht bejahte zudem die Voraussetzungen für Betrug (§ 263 StGB), Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) sowie eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB). Die maßgeblichen Entscheidungen zur Investition des Klägers basierten auf Prospekten, die ein unzutreffendes Bild der wirtschaftlichen Lage zeichneten. Der tatsächliche Geschäftsbetrieb, basierend auf einem undurchsichtigen Provisionskarussell und einem zusammenbrechenden Finanzmodell, wurde verschleiert.

Dazu kommt, dass die Mitwirkung der AG kein bloßes Unterlassen oder ein neutrales Verhalten waren, sondern ein aktiver Beitrag zur Täuschung. Genau das reicht für eine zivilrechtliche Haftung aus, selbst wenn die AG nicht direkt mit dem Kläger in Kontakt stand.

Fazit: Ausgeweitete Haftung von Konzerngesellschaften bei Schneeballsystemen

Das Urteil ist ein klares Statement: Wer ein Schneeballsystem über mehrere juristische Personen hinweg betreibt und dabei als Organ in unterschiedlichen Funktionen handelt, muss sich auf umfassende Haftungsfolgen für alle beteiligten Gesellschaften einstellen. Der BGH schafft damit Rechtsklarheit, wie § 31 BGB in komplexen Konzernstrukturen bei wirtschaftskriminellem Verhalten zu verstehen ist. Das macht eine sorgfältige Auswahl und Kontrolle von Leitungspersonen unverzichtbar.


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