Auf europäischer Ebene trat im Mai 2022 die Verordnung (EU) 2022/720 in Kraft, welche gemeinhin Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO) genannt wird. Hierdurch werden vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen grundsätzlich erlaubt. Es gibt jedoch auch neue Regelungen, die nun explizit verboten sind. Am 1. Juni 2023 endet die relevante Übergangsfrist, sodass die neuen Verbote für sämtliche Verträge gelten. Das neue Vertriebskartellrecht betrifft also viele Online- & MLM-Unternehmen (MLM = Multi-Level-Marketing).
Was ist die Vertikal-GVO?
Die EU-Kommission hat am 10. Mai 2022 ihre Vertikal-GVO erlassen. Im Unterschied zu EU-Richtlinien, welche von den Mitgliedstaaten selbst in nationales Recht umgesetzt werden müssen, gelten Rechtsverordnungen unmittelbar. Die Vertikal-GVO ist also vom Zeitpunkt ihres Erlasses an für alle Mitgliedstaaten verbindlich.
Gekoppelt ist sie an Art. 101 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Hiernach sind bestimmte Vereinbarungen zwischen Unternehmen rechtswidrig, es können dann empfindliche Bußgelder drohen. Nach Art. 101 Abs. 3 AEUV kann die Kommission hiervon jedoch bestimmte Vereinbarungen oder Gruppen ausnehmen – diese sind dann also erlaubt.
Mit der neuen Vertikal-GVO macht die Kommission von genau diesem Recht Gebrauch. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung legt fest, dass vertikale Vereinbarungen freigestellt sind, soweit sie vertikale Beschränkungen enthalten.
Vereinbarung, vertikal und Beschränkung: Wichtige Definitionen
Art. 1 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO definiert: „Vertikale Vereinbarung“ ist eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen zwei oder mehr Unternehmen, die für die Zwecke der Vereinbarung oder der abgestimmten Verhaltensweise jeweils auf einer anderen Stufe der Produktions- oder Vertriebskette tätig sind und die die Bedingungen betrifft, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen.
Und in Art. 1 Abs. 1 lit. b Vertikal-GVO heißt es: „Vertikale Beschränkung“ ist eine Wettbewerbsbeschränkung in einer vertikalen Vereinbarung, die unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt.
Gekoppelt mit dem bereits erwähnten Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO bedeutet dies, dass Vereinbarungen, die von diesen Definitionen erfasst sind, grundsätzlich freigestellt werden, obwohl sie eigentlich wettbewerbsbeschränkend wären. Diese Anforderung kann schnell erfüllt sein – im Anschluss ist jedoch zu prüfen, ob bestimmte Ausnahmen von der Freistellung eingreifen.
Gefahr für den Online-Vertrieb
Die Vertikal-GVO stellt aber nicht jede vertikale Vereinbarung frei. Sie zählt bestimmte Vereinbarungen auf, die explizit verboten werden. Und einige davon betreffen Unternehmen, welche im Online-Vertrieb und MLM-Marketing tätig sind.
So zählt Art. 4 Vertikal-GVO bestimmte „Kernbeschränkungen“ auf, die verboten sind. Eine davon ist die Verhinderung der wirksamen Nutzung des Internets zum Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen durch den Abnehmer oder seine Kunden. Man darf auch nicht vereinbaren, dass Produkte nur in einem physischen Laden vertrieben werden dürfen. Oder dass Suchmaschinen, Preisvergleichsportale oder der eigene Online-Shop nicht benutzt werden dürfen. Aber es gibt unter gewissen Voraussetzungen, die Möglichkeiten gewissen Beschränkungen doch vertraglich zu gestalten.
Insbesondere sind aber nicht alle Einschränkungen des Online-Vertriebs direkt verboten. So sind Beschränkungen der Online-Werbung, die nicht darauf abzielen, die Nutzung eines ganzen Online-Werbekanals zu verhindern, weiterhin erlaubt.
Daher sind die Network Marketing Unternehmen gut beraten, ihre Vertriebspartnerverträge und AGB prüfen und überabreiten zu lassen. Dies gilt umso mehr, als die tägliche anwaltliche Praxis bei SBS Legal immer wieder aufzeigt, dass sehr viele MLM Unternehmen unzulässige und damit kartellrechtswidrige Klausel verwenden, ohne dass sie dies wissen. Ergänzend anzumerken ist, dass häufig auch in den Wettbewerbsverbotsklauseln und Tätigkeitspflichtklauseln Gesetzesverstöße auffallen, die sich nachteilig für diese Unternehmen der der Direktvertriebsbranche auswirken können.
Übergangsbestimmung ist bereits beendet
Die Vertikal-GVO trat am 1. Juni 2022 in Kraft. Vorher galt noch die VO Nr. 330/2010, also eine andere EU-Verordnung. Die Regelungsbereiche der beiden Verordnungen sind nicht deckungsgleich, es können also Vereinbarungen vorher freigestellt worden sein, die aber von der neuen Vertikal-GVO nicht mehr gedeckt sind.
Um den Übergang nicht zu scharf für alle Unternehmen zu gestalten, hat die Kommission daher mit Art. 10 Vertikal-GVO eine Übergangsbestimmung festgelegt. Bis zum 31.5.2023 verstießen solche Vereinbarungen noch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, die vorher vom Bereich der VO Nr. 330/2010 gedeckt waren.
Seit dem 1. Juni 2023 gilt diese Übergangsbestimmung also nicht mehr. Dann stellt alles, was von dem Freistellungsbereich der Vertikal-GVO ausgeschlossen ist, eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV dar. Es können hohe Bußgelder und teure Verfahren drohen, die unbedingt vermieden werden müssen.
Anpassung der Verträge – Auch für kleinere Unternehmen
Kartellrechtliche Verfahren mit Bußgeldern in Millionenhöhe erwecken manchmal den Eindruck, dass nur große Unternehmen hiervon betroffen sein können. Dies ist jedoch besonders bei der Vertikal-GVO nicht der Fall.
Denn vertikale Vereinbarungen, meist zwischen Herstellern und Lieferanten, können Kernbeschränkungen darstellen – unabhängig von der Größe der Unternehmen. Zwar gibt es in Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO eine Marktanteilsschwelle. Das bedeutet aber nicht, dass kleinere Unternehmen immer freigestellt wären, nur weil sie die Schwelle nicht erreichen.
SBS LEGAL empfiehlt Ihnen daher, in jedem Fall Ihre Verträge noch einmal zu überprüfen. Dies gilt umso mehr, als die Übergangsfrist nun ausgelaufen ist. Daher sollten alle MLM Unternehmen eine rechtliche Prüfung, auch von den Vereinbarungen, welche vor dem 31. Mai 2022 in Kraft getreten sind, in die Wege leiten. Solche Klauseln, die das neue Vertriebskartellrecht betreffen und somit auch Online-Unternehmen und Vertriebler einschränken, sollten vorab geprüft werden.
Ansonsten drohen Geldbußen
Zur Durchsetzung der kartellrechtlichen Vorschriften bedient sich die EU-Kommission Geldbußen. Dies ist in Art. 103 AEUV geregelt. Sie sollen Unternehmen sowohl bestrafen als auch vor weiteren Verstößen abschrecken.
Die Höhe der Geldbuße richtet sich danach, welchen Jahresumsatz ein Unternehmen durch die Zuwiderhandlung erwirtschaftet hat. Hierbei kann ein Betrag von bis zu 30% des Wertes festgelegt werden. Dabei darf sie 10% des Gesamtumsatzes des Unternehmens jedoch nicht übersteigen. In welche Höhe genau die Buße liegt, hängt von einer Vielzahl genauerer Faktoren im Einzelfall ab.
MLMs könnten zukünftig von der Business Oppurtunity Rule eingeschlossen werden
Wenn man in den USA jemanden für eine Geschäftsmöglichkeit gewinnen will, muss man die Business Oppurtunity Rule einhalten. Diese Regelung wurde vor etwa 10 Jahren von der Federal Trade Commission (FTC) etabliert und soll Personen davor schützen in fragwürdige Geschäfte zu investieren. Im Klartext: Die Business Opportunity Rule soll Werber dazu zwingen ihre immensen Einkommensversprechungen auch zu beweisen.
Dafür wird von ihnen verlangt, eine Vielzahl ihrer Informationen offenzulegen: Welche rechtlichen Schritte bereits gegen sie eingeleitet wurden und wie das Rückgaberecht bzw. die Stornierungsbedingungen aussehen. Zudem müssen mindestens 10 Personen genannt werden, die zuletzt in das Geschäft investiert haben. All diese Angaben sind 7 Tage, bevor die nächste rekrutierte Person etwas unterschreibt oder selbst Geld investiert, darzulegen.
Ein entscheidendes Geschäftsmodell hat die FDA jedoch damals von der Business Opportunity Rule ausgenommen: Multi-Level-Marketing (MLM). Ganz zum Protest einiger MLMKritiker. Doch diese scheinen bald Gehör zu finden: So hat die FTC im Juni angekündigt, dass die Business Opportunity Rule im Rahmen ihres 10-jährigen Prüfungsverfahrens erneut kontrolliert werden solle und eine große Chance bestehe, dass MLMs dieses Mal von der Regelung eingeschlossen werden. Denn erst Anfang des Jahres hat der FTC Kommissar Rohit Chopra gefordert, dass die Business Opportunity Rule sowohl Gig-Economy-Plattformen, als auch MLMs betreffen solle. Womit sicher ist, dass er gemeinsam mit anderen Kommissaren, wie dem MLM kritischen Republikaner Noah Phillips, den Fall genauer unter die Lupe nehmen wird. Dies könnte zu einer desaströsen Dezimierung von MLMs führen.
Denn selbst wenn die FTC die Business Opportunity Rule nicht ändert oder der Prozess Monate bzw. Jahre in Anspruch nehmen wird, könnte diese Entwicklung dazu führen, dass MLMs zukünftig stärker reguliert werden.
Die Entwicklung der Business Opportunity Rule
Die Business Opportunity Rule, die erstmals 2006 vorgeschlagen worden war und schließlich in 2011 finalisiert wurde, soll die Verbraucher vor betrügerischen Geschäftsmöglichkeiten schützen indem festgelegt ist, wann und was den potentiellen Rekruten mitgeteilt wird.
Als die Regelung erstmalig besprochen wurde, tat die MLM Industrie alles daran, dass sie nicht von ihr eingeschlossen werden würde. Und sie war erfolgreich: Die FTC beschloss sie von der Regelung auszuschließen, da es für die MLM eine weitaus stärkere Belastung darstelle und nicht im Verhältnis zu dem Nutzen für den Verbraucher stehe. Ein FTC Mitarbeiter sagte aus, dass man MLMs nicht pauschal als Pyramidensysteme verteufeln dürfe, sondern man vielmehr von Fall zu Fall entscheiden müsse. Zudem reichten die Aufzeichnungen über MLMs nicht aus, um als Grundlage herzuhalten, die MLMs offenzulegen und damit Verbraucher besser zu schützen. Von Kritikern wurde die damalige Entscheidung der FTC dennoch angezweifelt. Diese hoffen nun auf eine neue Entscheidung ihrerseits. Denn es ist zu erwarten, dass die FTC dieses Mal auch verstärkt von der anti-MLM Community zu hören bekommen wird.
Wie lange wird der Regelsetzungsprozess andauern?
Die FTC hält sich über ihren Regelsetzungsprozess sehr bedeckt. Sie werden die Änderung der Regelung höchstwahrscheinlich Anfang Dezember in Angriff nehmen. Doch auch dann wird der Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen. So muss die FTC öffentliche Kommentare einholen, Mitteilungen an die Gesetzgeber senden und Argumente zur Änderung vorbringen. Es ist ein langwieriger und mühsamer Prozess.
Der CEO und Präsident der Direct Selling Association (DSA), Joseph Marino, sagte jedoch schon von Vornherein aus, dass sich die Organisation bereits auf eine Zusammenarbeit mit der FTC hinsichtlich aller Regelungen, die für Direktverkäufer Anwendung finden, freue. Die DSA setze sich nämlich seit langer Zeit für den Verbraucherschutz ein und fördere die Selbstregulierung, um die staatliche Regulierung zu ergänzen. Marino verwies auch auf den Selbstregulierungsrat und den Ethikkodex der DSA, der von den Mitgliedsunternehmen und den Verkäufern eingehalten werden muss.
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In Frankreich gelten besondere Regeln fürs Network Marketing: Unternehmen müssen Sozialabgaben für ihre Direktvertriebler und Berater zahlen.
Network Marketing hat sich in den letzten Jahren als erfolgreiches Geschäftsmodell für viele Unternehmen erwiesen. Lokal agierende Direktvertriebler sind ein effektiver Weg, Produkte auf den jeweiligen Markt zu bringen. Aber aufgepasst: in Frankreich gibt es für sie den sogenannten VDI Status.
Demnach muss das Unternehmen, für das er tätig ist, Sozialabgaben für ihn zahlen – auch wenn der Direktvertriebler selbstständig ein Unternehmen berät und eben nicht bei ihm angestellt ist. Das Unternehmen ist außerdem dafür zuständig, seinen Berater steuerlich richtig anzumelden. Tut es das nicht, gilt die Tätigkeit als Schwarzarbeit – und man haftet als Unternehmen dafür, auch wenn die Nicht- oder Falsch-Anmeldung nicht mit Absicht passiert ist…
So einen Fehler gilt es also unbedingt zu vermeiden. Deswegen klären wir hier die wichtigsten gesetzlichen Vorschriften. Die erfahrenen Anwälte von SBS Legal werfen einen juristisch versierten Blick auf Network Marketing bei unseren französischen Nachbarn: Wie muss man als Unternehmen seinen Berater sozialversichern? Und was gibt es steuerlich zu beachten?
Wer oder was ist ein VDI überhaupt?
VDI steht für „Vendeur à Domicile Indépendant“ und bedeutet so viel wie „unabhängiger Haus-zu-Haus-Verkäufer“. Gemeint ist damit ein Direktvertriebler oder Berater. Er erhält eine Provisionszahlung von einem Unternehmen und bewirbt dessen Produkt dann über das Internet oder in Gesprächen mit Bekannten, Nachbarn etc. Führt seine Tätigkeit dazu, dass die angeworbene Person das Produkt tatsächlich kauft, geht ein festgelegter Prozentsatz des Gewinns an ihn.
In Frankreich hat so ein Direktvertriebler seit 1933 einen eigenen rechtlichen Status inne – den besagten VDI-Status. Er gilt als unabhängiger Unternehmer, der über einen Geschäftsvertrag mit einem Unternehmen Aufträge annimmt. Diese Aufträge bestehen darin, die Produkte des Unternehmens zu verkaufen. Bei diesem Geschäftsvertrag handelt es sich ganz deutlich nicht um einen Arbeitsvertrag, das heißt der VDI ist kein Angestellter dieses Unternehmens – sondern in seiner Ausübung frei. Er ist auch weder im frz. Handelsregister (Registres du commerce et des sociétés – RCS) noch als Handelsvertreter registriert.
Weitere konkrete Regularien sind im „Code de Commerce“ (frz. Handelsgesetzbuch; Artikel L135 -1, L135-2, and L135-3) sowie im „Code de la sécurité sociale“ (frz. Sozialgesetzbuch; Artikel L311-3 20) festgeschrieben. So darf ein VDI nur drei Jahre lang tätig sein und dabei 20.568€ pro Jahr verdienen (Stand: 2020). Danach bzw. darüber verliert er seinen „besonderer-Selbstständiger-Status“ als VDI und muss stattdessen eine eigene Firma gründen. Oder die Firma, für die er arbeitet, setzt eine andere Grenze – z.B. ein monatliches Einkommen von maximal 1.000€ über ein halbes Jahr hinweg. Wenn er diese vertraglich festgehaltene Grenze überschreitet, muss er also schon vor den gesetzlichen 20.568€ im Jahr eine eigene Firma gründen, um weiterhin als Berater für das Unternehmen tätig sein zu können.
Sozialabgaben: Unternehmen zahlen zwei Drittel für ihren selbständigen Berater
Im französischen „régime général“ sind grundsätzlich Arbeitnehmer registriert, manchmal aber auch Selbständige – so wie der VDI. Er gibt dem Unternehmen, für das er arbeitet, seine Krankenversicherungskarte („Carte Vitale“), seine 15-stellige Sozialversicherungsnummer („numéro de sécurité sociale“) und seine SIRET-Nummer („Système d’identification du répertoire des établissements“; Unternehmenscode/Steuernummer) geben. Das Unternehmen benötigt diese Daten, da es nämlich die Sozialabgaben des VDIs anhand seiner Einnahmen selbst berechnen und bezahlen muss. Dabei kann es allerdings ein Drittel vom Berater zurückfordern – meist wird dieser Anteil automatisch abgezogen. Zwei Drittel der Sozialabgaben des VDIs muss das Unternehmen aber in jedem Fall selbst tragen. Es empfiehlt sich deswegen, die die Preise für ein Produkt in Frankeich um fünf bis sechs Prozent höher anzusetzen, um so die Kosten in Form von Sozialabgaben für den VDI wieder reinzuholen
Ein Drittel muss der VDI an das Unternehmen zurückzahlen – meist als Vorauszahlung:
Normalerweise erhebt ein Unternehmen, das einen selbstständigen Berater in Anspruch nimmt und also dessen Sozialabgaben zahlen muss, vier bis fünf Prozent auf seinen Rechnungsbetrag – als eine Art Vorauszahlung auf das eine Drittel der Sozialabgaben, das das Unternehmen vom Berater zurückfordern kann. Zum Quartalsende wird dann geguckt: Wie hoch sind die Sozialabgaben tatsächlich gewesen und wie viel ist durch die Vorauszahlung bereits gedeckt? Muss der Berater noch mehr an das Unternehmen zahlen oder kriegt er sogar wieder etwas zurück?
Ein anderer Weg ist es, die Sozialabgaben über Bonuszahlungen zu regeln – bzw. eben über keine Bonuszahlungen. Oder das Unternehmen zieht die entsprechende Summe einfach per Lastschrift oder Kreditkarte vom Konto seines Beraters ein.
Steuerliche Aspekte: Unternehmen müssen ihren Subunternehmer selbst anmelden!
Der VDI gilt in Frankreich steuerrechtlich als Kleinunternehmer („micro-entrepreneur“) und muss als solcher keine Umsatzsteuer zahlen – jedenfalls solange er unter einer gewissen jährlichen Obergrenze bleibt. Liegt sein Profit darüber oder arbeitet er schon über drei Jahre lang als Direktvertriebler, verliert er seinen VDI-Status und muss sich stattdessen als Beraterfirma im französischen Handels- und Gesellschaftsregister eintragen lassen („Registre du Commerce et des Sociétés“ – RCS). Solange er aber noch ein VDI ist, gilt der Direktvertriebler als Subunternehmer für die Firma, deren Produkte er bewirbt. Entsprechend ist diese Firma dafür zuständig, dass ihr Subunternehmer (der VDI) steuerlich korrekt angemeldet ist. Für mögliche Fehler und bspw. damit einhergehende Verspätungszuschläge haftet nämlich die Firma!
Seine Steuererklärung muss der VDI hingegen jedes Jahr selbst machen und dabei all seine Einkünfte, also seinen geschätzten Gewinn durch Verkäufe sowie weitere Boni, einbeziehen.
Ein VDI kann sich von der Mehrwertsteuer befreien lassen:
Der VDI muss seine Quellensteuererklärung unter nicht-kommerziellen Gewinnen („Benefits Non Commerciaux“ – BNC) einreichen. Daraus gehen nämlich seine jährlichen Einkünfte hervor, anhand derer berechnet wird, wie viel Einkommenssteuer der VDI zahlen muss. 34% seiner Provisionen gelten dabei als Betriebsausgaben – und sind demnach steuerfrei.
Zudem kann der VDI sich als Kleinunternehmer (micro-entrepreneur) von der Mehrwertsteuer (value added tax – VAT) auf seine Provisionen befreien lassen. Dafür muss er spätestens 15 Tage nach Unterschreiben des Geschäftsvertrags mit dem Unternehmen eine Erklärung in Form des POi-Formulars bei der URSSAF machen („Déclaration de début d’activité – Personne physique exerçant une activité non salariée indépendante“ bei der „Union de recouvrement des cotisations de la Sécurité sociale et d’allocations familiales“). Er erhält dann eine SIRET-Nummer (Steuernummer). Nur mit dieser SIRET-Nummer kann er dann auch wirklich von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden.
Zur Gewerbesteuer: zahlen oder nicht zahlen?
Zwar muss der VDI keine Umsatzsteuer und auf seine Provisionen auch keine Mehrwertsteuer zahlen – allerdings eventuell eine Art Gewerbesteuer (Cotisation Foncière des Entreprises – CFE). Sie ergibt sich aus dem jährlichen Verdienst des VDIs. Sobald er mehr als 16,5% der jährlichen Obergrenze für Sozialabgaben verdient, muss er CFE zahlen. Legt man seine Arbeit als Direktvertriebler nieder, sollte man die französische Steuerbehörde darüber informieren, um die CFE nicht mehr zahlen zu müssen.
Strukturänderungen können Vertragsverletzungen darstellen
Der Strukturvertrieb (alternativ auch Netzwerkbetrieb, Network Marketing oder Multi Level Marketing genannt) ist ein hierarchisch aufgebauter Direktvertrieb. Es handelt sich dabei um ein mehrstufiges Netzwerk, über das Produkte und Dienstleistungen vertrieben werden.
Die Verkäufer versuchen ihren Käuferkreis stets zu erweitern. Das Ziel der Verkäufer ist es, neben dem Gewinn neuer Kunden und dem Verkauf von Produkten, neue Vertriebspartner (Mitarbeiter) zu gewinnen. Diese werden dann von ihrem Anwerber ausgebildet und bei der praktischen Arbeit betreut. Verkauft ihr angeworbener Mitarbeiter Produkte oder Dienstleistungen, erhalten sie eine Provision (Differenzprovision). Durch dieses System besteht jederzeit der Anreiz, die Mitarbeiterstruktur zu vergrößern. Insgesamt entsteht dadurch ein Geflecht aus vielen Vertriebslinien. Der Bundesverband Network Marketing e.V. vertritt die Interessen der Vertriebe. Bekannte Strukturvertriebe sind vor allem die Deutsche Vermögensberatung, Swiss Life Select oder auch L&R Health and Beauty Systems.
Ebenen in einem Strukturvertrieb
Die unterste Ebene bilden meist keine professionellen Verkäufer, sondern vor allem nebenberuflich tätige Privatpersonen, die die Produkte oder Dienstleistungen an andere Privatpersonen oft aus dem direkten Umfeld verkaufen. Mit der Anwerbung neuer Vertriebspartner steigen die Anwerber in der Hierarchie weiter auf. Die nächste Ebene besteht aus regional tätigen Führungskräften, denen weitere Führungskräfte übergeordnet sind, die mit zunehmend höherer Ebene größere Regionen, bestimmte Gebiete und ganze Bereiche steuern. Die höchste Ebene bildet unterhalb der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes der Gesellschaft der Vertriebsdirektor oder der Direktionsleiter.
Pflichten des Handelsvertreters
Handelsvertreter ist nach § 84 Absatz 1 Handelsgesetzbuch (HGB), wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Der Handelsvertretervertrag dokumentiert die rechtliche Grundlage der Zusammenarbeit zwischen einem Hersteller, Händler oder Importeur mit einem selbständigen Verkäufer. Den Handelsvertreter treffen bei der Ausübung seiner Tätigkeit insbesondere die Vermittlungs-, Interessenwahrnehmungs- und Berichtspflicht aus § 86 HGB. Inhalt der Vermittlungspflicht ist, dass der Handelsvertreter sich um die Vermittlung und um den Abschluss von Geschäften zu bemühen hat. Dazu gehört die Herstellung von Geschäftsbeziehungen mit neuen Kunden und die Steigerung des Umsatzes mit bereits vorhandenen Kunden. Außerdem ist der Handelsvertreter verpflichtet stets die Interessen des Unternehmens zu wahren (Interessenwahrnehmungspflicht). Weiterhin hat der Handelsvertreter dem Unternehmer von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Auf Verlangen muss er auch über den Stand des Geschäfts Auskunft geben oder einen Zwischenbericht einreichen (Berichtspflicht).
Pflichten des Unternehmers
Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen (Überlassungspflicht). Weiterhin trifft den Unternehmer eine allgemeine Unterrichtungspflicht. Demnach ist der Unternehmer verpflichtet dem Handelsvertreter die „erforderlichen Nachrichten“ zu geben. Für den Handelsvertreter sind alle Nachrichten erforderlich, die er kennen muss, um möglichst erfolgreich seiner Tätigkeit nachgehen zu können, wie z.B. Änderungen der Preise oder Geschäfts- und Zahlungsbedingungen sowie Liefermöglichkeiten.
Kündigung des Handelsvertretervertrages
Ein Handelsvertretervertragsverhältnis, welches auf unbestimmte Zeit eingegangen wurde, ist nach § 89 Absatz 1 HGB unter Beachtung der gesetzlichen Fristen kündbar. Im ersten Vertragsjahr beträgt die Kündigungsfrist einen Monat und ab dem 6. Vertragsjahr 6 Monate. Jedes Handelsvertreterverhältnis kann außerordentlich gekündigt werden. Voraussetzung ist ein wichtiger Grund. Dieser liegt vor, wenn es für den Kündigenden unzumutbar ist, das Vertragsverhältnis bis zur ordnungsgemäßen Beendigung fortzuführen. Beispiele für einen wichtigen Grund sind: Verletzung wesentlicher Vertragspflichten, Verletzung des Wettbewerbsverbots, Abwerbung von Kunden durch den Unternehmer, unzulässige einseitige Gebietsverkleinerung und unberechtigte Provisionskürzungen.
Stellen Eingriffe in eine bestehende Vertriebsstruktur Vertragsverletzungen dar?
In den Handelsvertreterverträgen ist der Kundenschutz oft ausführlich geregelt, während der Schutz der Struktur nicht Bestandteil des Vertrags ist. Änderung der Struktur können z.B. einen Wegfall der Differenzprovision für einen Handelsvertreter zur Folge haben. Solche Änderungen zum Nachteil einzelner Mitarbeiter können unter Umständen Vertragsverletzungen darstellen.
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